Das folgende Interview kam in Folge einer Interview-Anfrage der Zeitschrift Analyse & Kritik zustande.
Ihr habt letztes Jahr gesagt, dass es auch darum geht, “die Dortmunder Antifa-Gruppen enger zusammenbringen, um auch den Rest des Jahres effektiver zu agieren”, da sich antifaschistische Politik schließlich nicht auf eine einmalige Eventpolitik beschränken darf. Ist das jetzt entstandene Alerta-Bündnis ein Ausdruck davon?
Das Alerta-Bündnis ist ein Zusammenschluss von linksradikalen und antifaschistischen Gruppen aus ganz NRW, nicht nur aus Dortmund. Die Aktivitäten dieses Bündnisses konzentrieren sich schon in erster Linie auf das “Event” Antikriegstag am 3.9. An einer engeren Vernetzung der Dortmunder Antifa-Gruppen und einer kontinuierlichen Zusammenarbeit über das gesamte Jahr hinweg arbeiten wir aber gleichzeitig auch. Das geschieht hauptsächlich im Rahmen des Dortmunder Antifa-Bündnisses (DAB), dem aktuell fünf lokale Gruppen und eine Reihe von Einzelpersonen angehören. Vom DAB ging auch die Initiative aus, das NRW-weite Alerta-Bündnis ins Leben zu rufen. Was die Vernetzung auf lokaler Ebene angeht, freuen wir uns besonders, in diesem Jahr auch mit der Antifaschistischen Jugend Dortmund gemeinsam im Bündnis arbeiten zu können.
Was ist neu an dem Bündnis?
Im letzten Jahr habt Ihr außerdem gesagt, dass ihr die Idee von Massenblockaden zwar grundsätzlich positiv betrachtet, die dafür nötige breite lokale Vernetzung bislang aber noch zu schwach sei. “Wir arbeiten an einer solchen Vernetzung”, bekräftigt Katja Wagner, “halten es aber für verfrüht, in diesem Jahr zu massenhaften Blockaden wie in Dresden aufzurufen”. Hat sich da was getan? Ruft Ihr dieses Jahr zu Massenblockaden auf? Wenn nicht, warum und was plant Ihr stattdessen?
Unser Motto lautet in diesem Jahr “sabotieren, blockieren, verhindern”. Das ist nicht nur als willkürliche Aneinanderreihung von Schlagworten zu verstehen, sondern soll deutlich machen, dass wir uns nicht auf eine einzelne Aktionform festlegen wollen. Unser Ziel ist es, den Naziaufmarsch zu verhindern. Ob das mit Massenblockaden erreicht werden kann, ob überhaupt genügend “Massen” mobilisiert werden können, darüber gehen die Einschätzungen auch innerhalb des Bündnisses auseinander. Eine solche mediale Aufmerksamkeit und eine so breite Unterstützung aus Politik und Zivilgesellschaft wie in Dresden gibt es in Dortmund sicherlich noch nicht. Die Frage, ob es überhaupt politisch wünschenswert ist, bei den Aktionen so sehr auf die Mobilisierung von Parteien, Kirchen etc. zu setzen, ist bei uns auch nicht unumstritten. Diese Diskussion wird in den nächsten Jahren sicherlich immer wieder geführt werden und geführt werden müssen. Wenn der diesjährige Naziaufmarsch durch Massenblockaden verhindert werden kann, würden wir uns darüber selbstverständlich sehr freuen. Verlassen wollen wir uns darauf aber nicht, weshalb wir am 3. September auf jeden Fall auch Alternativkonzepte in der Hinterhand haben werden.
Es gibt ja neben Dssq und Alerta noch ein drittes Bündnis. Wie läuft da die Zusammenarbeit?
Es finden regelmäßige Treffen zwischen allen drei Bündnissen statt, bei denen die für den 3.9. geplanten Aktivitäten koordiniert werden. Auch das Bündnis Dortmund Nazifrei, das in erster Linie von Parteien und Gewerkschaften getragen und beispielsweise auch vom Dortmunder Oberbürgermeister Ulrich Sierau (SPD) unterstützt wird, nimmt an diesem Koordinationstreffen teil und ruft ebenfalls zu Blockaden auf. Einzelne Akteure dieses Bündnisses haben jedoch bereits verlauten lassen, dass diese Blockaden eher einen symbolischen Charakter haben werden und man sich den Anweisungen der Polizei nicht widersetzen wird. Wie eine praktische Zusammenarbeit zur Verhinderung des Aufmarschs auf dieser Grundlage aussehen kann, muss sich noch zeigen.
Die Stadt Dortmund hat ja das Haus gekauft, in dem die Nazis ein Zentrum hatten. Was ist davon zu halten?
Als erstes muss festgestellt werden, dass die Nazis ihr Zentrum nach wie vor in besagtem Haus in der Rheinischen Straße 135 haben und es aktiv nutzen. Als Veranstaltungsort für Schulungen oder interne Treffen sowie als Rückzugsort und Anlaufpunkt ist das “Nationale Zentrum” ein wichtiger Teil in der Infrastruktur der Dortmunder Nazis. Als die Nazis planten das Haus zu kaufen, alarmierten lokale Antifaschisten die Stadt, die den Nazis zuvor kam und das Haus ihrerseits im Juli 2010 kaufte. Erst die Öffentlichkeitsarbeit der Antifaschisten verhinderte die Etablierung eines nationalsozialistischen Schulungszentrum in Dortmund. Ob die Nazis das Zentrum weiterhin nutzen, hängt davon ab ob die Stadt eingreift wenn bestehende Mietverträge auslaufen. Bis dahin wird es weiterhin für die Arbeit der Nazis zur Verfügung stehen. Das stört uns natürlich enorm und wir werden auch in Zukunft das Problem “Nationales Zentrum” in der Öffentlichkeit skandalisieren.
Letztes Jahr im Dezember haben Nazis die Kneipe Hirsch Q überfallen, es kommt immer wieder zu Übergriffen seitens der Nazis. Wie stark ist die Szene in Dortmund?
Mit dem Nationalen Widerstand Dortmund (NWDO) und der Skinheadfront Dortmund-Dorstfeld besteht die Szene aus zwei personenstarken Gruppen. Dem NWDO stehen neben dem Nationalen Zentrum, ein VW-Bulli mit Soundanlage und viele Nazi-Wohngemeinschaften im Stadtteil Dorstfeld für ihre Arbeit zur Verfügung. Der Neonazi Dennis Giemsch vertreibt mit seinem Mailorder “Resistore” bundesweit rechte Kleidung, Propagandamaterial und Waffen und finanziert somit einen Teil der politischen Arbeit. Mit dem rechten Anwalt Andre Picker, welcher eine eigene Kanzlei in Dortmund besitzt, haben die “Kameraden” jemanden, der sie bei ihren Gerichtsverhandlungen vertritt.
Alles in allem ist die Szene in Dortmund eine der stärksten und größten im östlichen Ruhrgebiet und ist für viele andere Nazi-Gruppen ein Vorbild. Dortmund ist so beliebt, dass viele Neonazis aus umliegenden Städten hierher ziehen und schnell Anschluss in der Szene finden. Der Angriff auf die Kneipe Hirsch-Q ist nur einer von vielen brutalen Übergriffen auf alternative und linke Menschen, die auf die Stärke der rechten Szene Dortmunds zurückzuführen sind.
Es gibt eine antifaschistische Vorabenddemo nach Dortmund-Dorstfeld, die Nazis planen einen Aufmarsch mit “musikalischen Rahmenprogramm” durch das Kreuzviertel. Läuft das dann parallel oder wir muss man sich das vorstellen?
Über unsere Planung zum 2.9. wird im Moment noch kontrovers diskutiert. Einerseits fänden wir es problematisch, die Aktivitäten der Nazis am Freitag völlig unkommentiert zu lassen und unsere Demo in Dorstfeld durchzuziehen, während am anderen Ende der Stadt ein großes öffentliches Rechtsrockkonzert stattfindet. Andererseits ist es uns ein wichtiges Anliegen, in diesem Jahr auch wieder stärker eigene Akzente zu setzen, mit eigenen Inhalten in die Szene und im Idealfall auch in die Öffentlichkeit zu wirken. Das ist erfahrungsgemäß bei klassischen Anti-Nazi-Demos ziemlich schwierig. Wir hoffen, dass wir da eine Lösung finden, die beiden Ansprüchen gerecht wird. Weitere Infos dazu findet Ihr auf unserer Website: alerta.noblogs.org/freitag